Die Opfer

Einige hatten es aber auch echt verdient ...

Opfer Nr. 1: Hubert Westerhoff

Auto- und Schrotthändler aus Molbergen

(aus: Tod im Torf)

 

Dichter Nebel zog an jenem Tag auf, der der letzte für Hubert Westerhoff sein sollte. Die Landschaft hinter dem Gewerbegebiet „Kneheimer Weg“ in Molbergen verschwand, matt und unwirklich, hinter einer undurchsichtigen Nebelwand. Die Konturen der Häuser und Lagerhallen konnte man nur noch erahnen. Die Bäume an der Straße, ihres Laubes gänzlich beraubt, bildeten ein Spalier von Spukgespenstern. Vielleicht hätte der 59-jährige Geschäftsmann die düstere Stimmung als ein Vorzeichen des Schicksals nehmen sollen. Aber wie hätte Hubert Westerhoff ahnen können, dass der Tod seine Hand nach ihm ausstreckte, als er am Abend sein Büro verließ?


Es war ein guter Tag für Hubert Westerhoff gewesen. Wieder einmal hatte er einen Kunden über den Tisch ziehen können. Das Auto, das der ihm gebracht hatte, war längst noch nicht schrottreif. Doch das sollte der Blödmann ruhig denken, als dieser die alte Möhre auf Westerhoffs Schrottplatz abgestellt hatte. Westerhoff hatte dem Gutgläubigen 300 Euro Schrottwert bar in die Hand gedrückt und sich überlegt, dem Waldemar Miller die Karre noch für Zwölfhundert zu verticken. Er wusste genau, der Miller schiebt sie sowieso weiter nach Russland und dann kräht kein Hahn mehr danach.


Hubert Westerhoff rieb sich mit einem diabolischen Grinsen die Hände und freute sich auf den wohlverdienten Feierabend. Mittwochs traf sich immer die Skatrunde bei Otto. Meist endete die im Streit. Herrlich! Westerhoff hatte noch schnell die durchgerosteten Auspuffteile und das Altmetall in die Schrottbox verstaut und ging zu seinem Wagen. Als er gerade einsteigen wollte, trat hinter ihm eine Gestalt aus dem Nebel hervor und drückte ihm die Mündung eines Jagdgewehrs ins Genick. Er spürte deutlich die zwei nebeneinander liegenden Läufe einer Doppelflinte. Als Jäger kannte er sich da aus. Erschrocken blieb Westerhoff stehen. Er hörte, wie der Hahn des Gewehres gespannt wurde. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Ihm pochte der Schädel.


„Hände hoch!“, hörte Westerhoff eine männliche Stimme sagen. „Zurück zum Büro!“, befahl der Mann weiter.


Hubert Westerhoff hatte Todesangst. Kam ihm die Stimme irgendwie bekannt vor? In seiner Aufregung konnte er sie so schnell niemandem zuordnen. Daher tat er, wie ihm geheißen wurde und bewegte sich langsam in Richtung Büro. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, dachte Westerhoff. Der will nur Geld. Wenn er es hat, haut er damit ab und die Sache ist ausgestanden. Den Rest erledigen die Bullen.


Kurz vor der Bürotür blieb Westerhoff stehen und wartete auf weitere Anweisungen. Er hatte die Hände immer noch gehoben. Westerhoff spürte für einen kurzen Augenblick, wie der Druck des Gewehrlaufes im Nacken etwas nachließ. In diesem Moment drehte er sich blitzschnell über seine linke Schulter weg und stieß mit seinem Unterarm das Gewehr zur Seite. Westerhoff stand dem Mann nun direkt gegenüber. Dieser trug eine dunkle Gesichtsmaske und einen grünen Overall. Mehr konnte er nicht erkennen. Vom lauten Knall des Schusses überrascht, zuckte Hubert Westerhoff zusammen. Er hatte sofort einen schrillen Pfeifton in seinen Ohren, realisierte aber, dass er nicht getroffen war. Westerhoff holte aus und traf mit einer rechten Geraden den Kopf des Widersachers. Der taumelte zurück und ließ im Sturz die Flinte fallen. Westerhoff wollte sich gerade auf den am Boden Liegenden stürzen, als er plötzlich einen furchtbaren Schmerz an der rechten Schläfe fühlte. Er spürte, wie sein Kopf einer wuchtigen Schlagbewegung nachgab. Warmes Blut rann seine Wange hinunter. Westerhoff sackte in die Knie. Der Mann, der sich vor ihm wieder aufrappelte, löste sich in Zeitlupe im Nebel auf. Dann wurde es still und dunkel um ihn herum. Den zweiten Schuss, der ihn mitten ins Herz traf, bekam Hubert Westerhoff schon gar nicht mehr mit.

 

* * *